Sind Sie die Rockys der Popmusik, Take That?


London. Gary Barlow, Mark Owen und Howard Donald, es ist Montagmittag. Hatten Sie ein entspanntes Wochenende?

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Gary Barlow: Am Wochenende haben wir tatsächlich die Beine ein wenig hochlegen können. Aber insgesamt sind wir natürlich gerade mit Volldampf dabei, für unsere Tour zu proben, auf die wir uns ganz schrecklich freuen.

„This Life under the Stars“ ist das Motto der Tour. Tatsächlich treten Sie in – oft besonders pittoresken – Freiluftstätten auf.

Barlow: Hoffentlich ist das Wetter dann besser als heute (lacht). Wir stellen es uns sehr schön vor, draußen unsere Hits und unsere neuen Lieder zu singen, während es ganz langsam immer dunkler wird. Das hat etwas tief Romantisches.

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Eine bewegte Karriere

„This Life“, dieses Leben, besingen Take That auf dem aktuellen Album. Und dieses Leben oder zumindest diese Karriere ist durchaus turbulent verlaufen. Gegründet wurde die Boygroup 1990 in Manchester in der Besetzung Gary Barlow, Mark Owen, Howard Donald, Jason Orange und Robbie Williams. Nach enormen Erfolgen verließ Williams die Band 1995, ein Jahr darauf trennte sich die Gruppe offiziell.

In den folgenden Jahren arbeiteten die Musiker jeweils an Soloprojekten – mit recht unterschiedlichem Erfolg. Bei der Reunion 2005 war Williams nicht mehr dabei, stieß später wieder zu Take That, um dann erneut auszusteigen. Seit zehn Jahren ist auch Orange, der sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, nicht mehr Teil der Band. Die besteht seitdem aus Barlow, Owen und Donald.

Ihr neues Album haben die drei Briten mit dem US-amerikanischen Produzenten Dave Cobb in Nashville/Tennessee und Savannah/Georgia aufgenommen. Der mehrfach ausgezeichnete Cobb hat unter anderem mit Jason Isbell, Lady Gaga, Brandi Carlile und Barry Gibb zusammengearbeitet.

Auf ihrer Tour – Titel: „This Life under the Stars“ – spielen Take That unter anderem in Hannover (25. Juni), Berlin (29. Juni), Mönchengladbach (30. Juni) und München (2. Juli).

Das aktuelle Album heißt ebenfalls „This Life“. Eine Art Zwischenbilanz?

Barlow: Es ist wirklich viel passiert in all diesen Jahren. Jetzt, da wir in Interviews immer wieder mit dieser Art von Fragen konfrontiert werden, fangen wir natürlich selbst intensiver an, über alles nachzudenken. Und ich weiß auch gar nicht mehr, wann wir eigentlich beschlossen hatten, die Platte „This Life“ zu nennen. Aber wie auch immer, hier sitzen wir nun und können nicht anders als zuzugeben, dass dieses Album ein sehr persönliches geworden ist.

In welcher Hinsicht ist es besonders persönlich?

Barlow: Dieses Leben, ich spreche da für uns alle, hat seine triumphalen wie seine niederschmetternden Momente, seine extremen Höhen und unendlichen Tiefen. Es gibt Herausforderungen, Hindernisse, pure Freude und immense Tragik, manchmal heißt es, sich zurückzukämpfen, wieder aufzustehen, einfach weiterzumachen. Wir hielten es einfach für an der Zeit und passend, aus unserer Lebensperspektive von heute auf all diese Erlebnisse und Erfahrungen zu blicken.

Mit ihrem Album "This LIfe" ziehen die Musiker eine Art Zwischenbilanz.

Mit ihrem Album „This LIfe“ ziehen die Musiker eine Art Zwischenbilanz.

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Alles in allem waren es aber mehr Höhen als Tiefen, oder nicht?

Barlow: Das denke ich auch. Ansonsten säßen wir vermutlich gar nicht hier. Aber wir sind auch nur Menschen, das heißt, selbst wenn von außen immer alles großartig und wundervoll wirkt, was mit uns zu tun hat, kann ich hier versichern, dass auch bei uns nicht jeder Tag ein großartiger Tag ist. Manche Tage sind einfach Mist, und dann ist da noch die ganz eigene Welt, die sich in unseren jeweiligen Köpfen befindet. Und diese Welt hat nicht immer notwendigerweise viel mit der Welt zu tun, die wir in der Öffentlichkeit präsentieren.

Gleich an mehreren Stellen geht es auf dem Album um die Frage, ob man nicht lieber gleich im Bett bleiben möchte. Was bringt Sie an solchen Tagen dennoch dazu aufzustehen?

Mark Owen: Üblicherweise die Hunde. Oder die Kinder. Irgendwer wird gewiss morgens auf einen springen, meist die Hunde zuerst. In meinem Leben ist es heute so, dass ich einiges besser auf die Reihe bekomme als früher. Erfahrung ist hilfreich dabei, mehr Klarheit darüber zu bekommen, was für einen selbst funktioniert und was nicht. Das trifft auf vielen unterschiedlichen Ebenen zu. Angefangen meinetwegen bei der Entscheidung, wann ich abends ins Bett gehe. Mit 50 weiß man sehr viel besser, dass der Morgen dich bestrafen wird, wenn du in der Nacht über die Stränge geschlagen hast.

Immer in Bewegung

Ist es für Sie angenehm, über 50 zu sein?

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Owen: Ja, denn das Schöne am Leben ist doch, dass es sich in jedem Moment verändert und weiterbewegt. Älter zu werden ist ein wichtiger Aspekt dieses Bewegtseins.

Ist es dem Lebensglück zuträglich, auch die unglücklichen Erfahrungen gemacht zu haben, um die schönen und glücklichen umso mehr wertschätzen zu können?

Barlow: Aber ja, sicher. Haben wir denn überhaupt eine Wahl? Ich für mich persönlich kann sagen, dass ich jeden Morgen gerne aufstehe. Mein Ziel ist immer, das Beste zu geben, für uns selbst, unsere Frauen, unsere Kinder, und jeder neue Tag bietet dir dafür eine neue Chance. Auch innerhalb der Band ist es uns wichtig, nett zueinander zu sein. Manchmal ist es schwierig, aber meistens fühlt es sich sehr leicht und natürlich an, lieb zu den anderen zu sein (lacht). Ich denke, was den Versuch angeht, das Leben zu meistern, sind wir drei auch nur Menschen wie alle anderen auch. Jeder von uns hat seine Kämpfe und auch seine Dämonen.

Mentales Wohlbefinden

Heute wird sehr viel mehr und sehr viel offener über mentales Wohlbefinden gesprochen, nicht zuletzt in der Popmusik. Hat es das einfacher für Sie gemacht, etwa in „Days I Hate Myself“ darüber zu sprechen, dass es Tage gibt, an denen Sie sich selbst verachten und nicht ertragen können?

Barlow: Ja, das hat gewiss etwas miteinander zu tun. Wir haben uns geöffnet, weil sich die Welt als solche geöffnet hat. Geöffnet gegenüber den Fragen, die immer schon in den Köpfen der Menschen herumkreisen. Früher haben sich nur ein paar ausgesuchte Poeten mit den Abgründen der Seele beschäftigt, aber heute tut das praktisch jeder. Und ist das nicht eine wundervolle Sache?

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Fühlt es sich für Sie befreiend an, Ihre Gefühle, auch die düsteren, miteinander und auch live auf der Bühne mit dem Publikum zu teilen?

Howard Donald: Oh ja. Und es tut gut zu wissen, dass die Menschen überall auf der Welt, in allen Berufen, allen Kulturen, allen Altersschichten, dieselben Dinge durchmachen, die wir selbst durchmachen. Mental Health war zu Anfang unserer Karriere und auch noch lange Zeit später einfach kein großes Ding, es war auch nicht sonderlich hoch angesehen, sich derart zu offenbaren.

 In den Anfangsjahren: Take That bei einem Berlin-Konzert in der alten Besetzung mit Mark Owen, Jason Orange, Gary Barlow, Robbie Williams und Howard Donald (von links).

In den Anfangsjahren: Take That bei einem Berlin-Konzert in der alten Besetzung mit Mark Owen, Jason Orange, Gary Barlow, Robbie Williams und Howard Donald (von links).

Wie sorgen Sie denn heute für Ihre mentale Gesundheit?

Donald: Mit allen Mitteln. Bewegung, sehr gutem Essen, noch ein bisschen mehr Bewegung, Meditation, Lesen, Atmen. Wir leben heute viel, viel bewusster als in unseren jungen Jahren.

Barlow: Ich meine, mit 20, was wusste ich da schon vom gesunden Leben? Nichts. Heute dagegen ist uns allen klar, dass man viel tun kann und auch viel tun muss, damit die Maschine auch mit über 50 noch rund läuft. Über allem steht der einfache, aber geniale Trick, den Kopf oben zu halten und dem Leben mit einer positiven Einstellung zu begegnen. Manchmal musst du dich einfach irgendwie durch den Sturm kämpfen, ohne umgeblasen zu werden.

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„I‘m a patched-up Champion of the World“, singen Sie in „The Champion“. Was macht Sie zu geflickten Helden?

Owen: Der Song ist natürlich ein bisschen ironisch. Und stark inspiriert vom Film „Rocky“. Erinnern Sie sich an die Szene im ersten „Rocky“-Film, als er im Kampf gegen Apollo Creed eine böse Wunde überm Auge hat, nichts mehr sieht und zu seinem Trainer Mickey sagt: „Cut me, Mick“? Er will, dass der Trainer ihm ins Augenlid schneidet, damit das Blut abfließen kann. Der Trainer flickt also Rockys Auge, und Rocky kann seinen Gegner wieder ins Visier nehmen, weiterkämpfen und am Ende gewinnen.

Sehen Sie sich als die Rockys der Popmusik?

Owen: Dieses Gefühl, sich niemals unterkriegen zu lassen, kommt immer wieder hoch auf dem Album. Und zugleich ändert sich der ganze Erfahrungsschatz, den wir in 30 Jahren so angesammelt haben, deine Perspektive auf das Leben und auf die Karriere. Mein Sohn Elwood ist jetzt 17, das heißt, er ist so alt wie ich es war, als ich bei Take That anfing. Da kommen natürlich Erinnerungen hoch, zugleich habe ich mehr als 50 Jahre hinter mich gebracht und bin, mit sehr viel Glück, vielleicht noch 50 weitere Jahre hier. Es ist keine traurige, sondern eine schöne Sache, langsam älter zu werden und der Zahl in Klammern hinter deinem Namen dabei zuzusehen, wie sie immer höher wird. Lange Zeit habe ich hauptsächlich nach vorne geschaut, heute schaue ich auch immer öfter zurück. Daran ist nichts tragisch. Ich kämpfe gewiss nicht gegen das Gefühl an, ein bisschen nostalgisch zu werden. Es ist okay.

Seit zehn Jahren bilden sie die Band

Sind denn Ihre Frauen und Kinder soweit zufrieden mit den besten Versionen ihrer Männer und Väter?

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Donald: Doch, doch, ich höre fast nur Lob (lacht). Ganz wichtig finde ich immer, sich selbst zu mögen und, noch besser, zu lieben. Wenn du eine miese Meinung von dir selbst hast, ziehst du auch andere Menschen damit runter. Und umgekehrt.

Owen: Gerade die Kinder sind natürlich auf ihrer ganz eigenen Reise durchs Leben. Das Beste, was wir tun können, ist, sie zu unterstützen.

Seit fast zehn Jahren sind Sie drei nun Take That. Jason Orange hat die Band 2014 verlassen, Robbie Williams war nach der ersten Trennung kurz wieder dabei, ging aber 2011 erneut. Wie stark sind Unterstützung und Zusammenhalt zwischen Ihnen dreien?

Barlow: Wir drei sind die Band, wir drei sind seit zehn Jahren Take That. Und ich denke, man hört, was für ein eingespieltes Team wir sind. Jeder von uns hat das Gefühl, wichtig für die Band zu sein, und so ist es selbstverständlich auch. Wir alle haben unsere Momente auf dieser Platte. Du kannst jeden von uns sehr laut und deutlich hören.

Starke Beziehung

Hat sich die Beziehung zwischen Ihnen noch mal verändert? Oder sind Sie so alte Arbeitskollegen, die nichts mehr groß erschüttern kann?

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Donald: Seit wir 2005 wieder zusammengefunden haben, ist unsere Beziehung immer stärker und immer besser geworden. Ich kann mir auch überhaupt nicht vorstellen, dass es jemals wieder bergab gehen wird. Eher im Gegenteil.

Barlow: Wir kennen uns längst in- und auswendig. Trotzdem lernen wir uns ein klein wenig auch immer wieder neu kennen. Wir sind eingespielt, aber auch nicht zu routiniert. Was wir zusammen haben, ist einfach eine wunderbare Freundschaft.

Um das Album aufzunehmen, haben Sie mit dem US-Produzenten Dave Cobb gearbeitet. Vieles, etwa der Song „Windows“, klingt für ein Popalbum zart. Hatten Sie diesen leicht amerikanisch-akustischen und weniger bombastischen Ansatz von vorneherein für das Album vorgesehen?

Barlow: Ich würde jetzt schrecklich gerne erzählen, dass wir tatsächlich so clever sind. Aber nein, so war es nicht. Das Album entstand einfach dadurch, dass wir zusammen in einem Raum am Schreiben gewesen sind. So war es auch schon immer bei uns. Diese tollen Konzepte, die hatten wir nie. Die Musik hat uns zu Dave Cobb und so ein bisschen zum Sound von Nashville geführt. Wir hatten einige Demos und fanden, dass sie super zu ihm passen.

Verbeugung vor der Vergangenheit

Im letzten Song „Where We Are“ zitieren Sie Ihre eigene Hymne „Never Forget“ – „Look where we are, we‘ve come so far“ heißt es im Text. Wieder eine kleine Verbeugung vor der Vergangenheit?

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Barlow: So ist es. Als wir damit anfingen, diese Platte zu schreiben, hatten wir uns alle ein paar Jahre nicht gesehen, wir hatten das ganze Corona-Ding hinter uns, und es war super spannend, sich plötzlich wieder jeden Tag zu sehen. Und dieser Song ist eine weitere Ode an uns selbst und an die Tatsache, dass wir immer noch hier sind, immer noch Musik machen. Für uns ist das alles keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Take That ist in Großbritannien ein Nationalheiligtum. Das erste große Konzert seit Langem haben Sie im Mai 2023 bei der Krönung von König Charles gespielt. Und schon beim Diamantenen Jubiläum seiner Mutter 2012 waren Sie dabei.

Donald: Damals war sie schon 60 Jahre lang Königin. Wahnsinn.

Owen: Doppelt so viel, wie wir jetzt hinter uns haben.

Dann wissen Sie ja, was Sie zu tun haben.

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Barlow: Irgendwie ist es doch möglich, oder? Ich hoffe sehr, dass es für uns noch lange weitergeht.

Absolut. Sie sind in 30 Jahren etwa so alt wie jetzt die Rolling Stones. Und die sind ja auch schon wieder auf Tour.

Barlow: Hey, also das ist jetzt unser neues Ziel. Wir machen weiter bis zu unserem eigenen Diamond Jubilee! (lacht)



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