perfektes Konzert, Olympiaberg und ein seltsames Gefühl

Taylor Swifts letzte Deutschland-Station war am Samstag und Sonntag München.Bild: Getty Images / Thomas Niedermueller / TAS24

Meinung

Der Morgen danach ist seltsam. Der Körper spürt noch die Strapazen des Vortages, den Wassermangel, die brutale Hitze, das stundenlange Stehen. Die Laune ist dennoch gut, die Erinnerungen sind frisch. Doch im Kopf macht sich auch eine gewisse Leere breit. Der Fiebertraum ist vorbei.

Taylor Swift wird heute oder morgen Deutschland wieder verlassen. 430.000 Menschen haben die sieben Shows in Gelsenkirchen, Hamburg und München gesehen. Ihre nächsten Stopps sind Warschau, Wien und London. Dann endet der europäische Teil der „The Eras Tour“.

Ziemlich genau ein Jahr lang haben die Swifties auf ihren großen Tag gewartet, die Tickets für die Konzerte in Deutschland wurden im Juli 2023 verkauft. Und sie haben das Jahr zur Vorbereitung genutzt, in einer Art, wie sie bei einer Tour dieser Größenordnung noch nie möglich gewesen war. Die Konzertauftritte von Taylor Swift sind seit einem Jahr allgegenwärtig. Jeder Song, jede Geste, jeder Satz ist auf Tiktok zu finden, den Konzertfilm zur Tour haben ihre Fans ohnehin gesehen.

Zufriedenes Strahlen: Taylor Swift am Samstagabend im Olympiastadion in München.Bild: Getty Images Europe / Thomas Niedermueller/TAS24

Auch am Samstagabend in München ist zu beobachten, was das bedeutet: So gut wie jedes Highlight des Abends ist vorhersehbar: Der Moment, in dem im Stadion mehrere Männer oder Frauen auf die Knie gehen und einen Heiratsantrag machen („Love Story“); der Song, der für den mit Abstand längsten Applaus des Konzerts sorgt („Champagne Problems“); das Lied, bei dem Taylor einem Kind ihren Hut im Tausch gegen ein Freundschaftsarmband schenken wird („22“).

Taylor Swift überrascht in München mit Bühnen-Ansage

Es gibt nur zwei Dinge, die man vor Beginn des Konzerts noch nicht kennt: Die beiden Überraschungslieder, die Swift jeden Abend spielt, und wie genau sie das heutige Publikum begrüßt.

In München grinste sie breit und sagte „Servus“. Das eine Wort reichte, um das Stadion zum Ausrasten zu bringen.

Die Vorhersehbarkeit des Abends ist Fluch und Segen zugleich. Sie sorgt für Gänsehautmomente, die nicht möglich wären, wären nicht alle vorab schon informiert – beispielsweise, wenn 74.000 Menschen bei „Fearless“ die Hände in die Luft strecken und ihre Finger zu einem Herz formen, während Taylor Swift auf der Bühne das Gleiche tut und die Stadionregie ihre Hände überlebensgroß auf der riesigen Leinwand zeigt.

Taylor Swift setzt in München noch einen drauf

Auf der anderen Seite verhindert sie aber auch spontane Momente, die ein einzelnes Konzert noch mehr zu etwas Einzigartigem machen könnten – und genau das wäre bei der intensiven Verbindung zwischen Taylor Swift und ihren Swifties möglich.

430.000 Zuschauer:innen kamen zu den sieben Shows von Taylor Swift in Deutschland.bild: dpa / bildfunk

Diese Frage bleibt nach einem grandiosen Abend: Wie würde sich ein Konzert von Taylor Swift anfühlen, wenn man von dem, was kommt, überrascht wird? Wenn man, heute natürlich unvorstellbar, noch keinen einzigen Schnipsel aus anderen Städten gesehen hat? Was würde das mit den Fans machen, deren Begeisterung für den Superstar nur schwer in Worte zu fassen ist?

Es ist den Swifties anzusehen, wie viel ihnen dieser Abend mit ihrem Superstar bedeutet. An ihren Outfits, an ihren Freundschaftsarmbändern, am Leuchten in ihren Augen. Von der ersten bis zur letzten Reihe stand in München das ganze Stadion rund 200 Minuten lang, 74.000 Menschen tanzten, feierten, sangen und lagen sich in den Armen. Keiner von ihnen schaute nur zu oder war einfach nur da.

Man erlebt selten Konzerte, bei denen die Mitmachquote bei 99 Prozent liegt. Bei Taylor Swift schon.

München setzte noch einen obendrauf, weil neben dem Stadion der Olympiaberg steht, wobei das Wort Berg ein wenig übertrieben ist bei einem 60 Meter hohen Hügel, der in den 1950er Jahren aus Trümmern des 2. Weltkriegs aufgeschüttet wurde.

Zwei Stunden vor Konzertbeginn: Der Olympiaberg in München ist schon rappelvoll.bild: watson / swen thissen

Die Erhebung neben dem Stadion unterstrich eindrucksvoll, wie groß die Begeisterung für Taylor Swift ist.

Superstar Taylor Swift löst seltsames Gefühl aus

Dass hier Menschen sitzen, die kostenlos einem Konzert lauschen, ist normal. Manchmal sieht man hier 40, vielleicht auch mal 400 Leute, im Extremfall 4000. Am Samstagabend waren’s 40.000 – die Bilder gingen am Wochenende viral und um die Welt.

Und Taylor Swift? Sie liefert ab. Und wie! Die 34-Jährige bringt eine Power, eine gute Laune und eine Magie auf die Bühne, wie es nur wenige Musiker:innen auf der Welt können. Und sie unterstreicht in den knapp dreieinhalb Stunden ohne Pause, warum ihr Millionen von Menschen zu Füßen liegen. Sie glitzert, sie strahlt, sie performt. Und sie wirkt ehrlich glücklich über all die Liebe, die ihr zufliegt.

Bild: Getty Images / Thomas Niedermueller / TAS24

Taylor Swift ist der bis hierhin größte Popstar des Jahrtausends. Sie hat ein derart gigantisches Momentum, dass die „New York Times“ vor einigen Wochen fragte, wer größer sei: Taylor Swift oder die Beatles.

Das ist, aus sehr vielen verschiedenen Gründen, ein Vergleich, der nicht funktionieren kann, wie die Zeitung in ihrem Text auch selbst einräumt. Aber er zeigt sinnbildlich, wie groß der Hype um Taylor Swift ist.

Wer das Glück hatte, ein Ticket für die erfolgreichste Tour der Weltgeschichte zu bekommen, wird diesen Abend, diese Show nie vergessen. Wird aber auch mit dem seltsamen Gefühl zurückgelassen, das größte Konzerterlebnis des Lebens jetzt hinter sich zu haben. Denn etwas Überdimensionaleres als Taylor Swift und ihre Eras-Tour auf dem Höhepunkt ihrer Popularität wird so schnell nicht wieder kommen.