Insider über Größenwahn und Prostituierte in der Musikbranche


P Diddy alias Sean Combs

P. Diddy alias Sean Combs ist einer der erfolgreichsten Rapper der vergangenen Jahre. Oder besser: war. Bild: imago images / FAMOUS

Exklusiv

Ronja Brier

Einer der größten Musiker der vergangenen Jahre sitzt in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe gegen Sean „Diddy“ Combs sind schwerwiegend: organisierte Erpressung, gewaltsamer Sexhandel, Betrug und Nötigung. Zudem wurden mehrere Zivilklagen wegen sexuellen Missbrauchs eingereicht. 120 Personen vertritt ein Team von Anwälten jetzt.

Der Prozess gegen Combs soll am 5. Mai 2025 starten. Und im Falle einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe.

Guido Schulz ist von den Vorwürfen nicht verwundert. Er war in den 80ern A&R-Chef (Anm. d. Red.: A&R steht für Artist and Repertoire, der Bereich der Künstlerbetreuung) bei Sony und Bertelsmann. Heute ist er Manager von Westbam und des Rappers Bass Sultan Hengzt.

Watson erzählt er von seinen heftigsten Erlebnissen aus der Musikbranche in Deutschland und Amerika.

Guido Schulz, Fotograf und Musik-Manager

Guido Schulz war A&R-Manager und ist heute Fotograf.

watson: Bist du überrascht, was jetzt über P. Diddy bekannt wird?

Guido Schulz: Nein! Früher gab es sowas wie Political Correctness nicht. In den 70ern und 80ern konnten Musiker machen, was sie wollten.

Es sind Fotos aufgetaucht von Frauen auf P. Diddys Partys, die beispielsweise nackt auf einem Buffettisch liegen.

Die sind nur mit Früchten und Schokolade bedeckt. Das ist so billig und unoriginell. Auch diese White Partys, auf denen alle Gäste weiß angezogen sein mussten – das wirkt einfach unfassbar einfallslos.

P. Diddys Partys waren der heiße Scheiß.

Ach, ich bitte dich. Alle wollten hin. Aber eigentlich waren 90 Prozent aller Aftershow-Partys totaler Mist. Hast du eine gesehen, hast du alle gesehen.

Was hast du selbst erlebt?

Das war eine Zeit, in der es in der Musikbranche immer irgendeine Party gab. Wenn wir Musikvideos gedreht haben, haben wir davor und danach gefeiert. Nach Konzerten sind wir oft noch weitergezogen. Erst in einen Club, danach in eine Bar oder aufs Hotelzimmer. Da ging es immer hoch her, auch mit Frauen. Ohne war das keine richtige Party. Und die Musiker konnten sich einfach bedienen.

Was waren das für Frauen?

Meistens Fans, keine Prostituierten. Nach einem Auftritt haben sich die Bandmitglieder dann die Fans ausgesucht, die ihnen besonders gut gefallen haben, und haben sie mitgenommen zum Feiern. Oder es gab Leute vom Management oder vom Konzertmanagement, die kannten den Geschmack der Musiker und haben für sie die Frauen ausgesucht.

Was passierte später am Abend?

Später hat man sich doch noch Prostituierte auf die Party bestellt. Ganz selten ist man auch selbst ins Bordell gefahren. Im Berliner Bel Ami beispielsweise, gab es einen Pool-Bereich, den man absperren lassen konnte. Da hatten Musiker und Label-Bosse ihren Spaß mit Frauen. Manchmal ist eine mit jemandem noch aufs Zimmer gegangen.

Und das war für niemanden ein Problem?

Das hat man einfach so hingenommen. Das war normal.

Problematisch kann man daran finden, dass es da ein Machtgefälle gibt zwischen dem männlichen Star und dem weiblichen Fan.

Ab einer gewissen Größenordnung lebst du wie in einem Kokon. Alle wollen nur dein Bestes. Die haben dadurch aber auch überhaupt keine Berührung mehr mit der Normalität, die gehen ja nicht mal mehr selbst einkaufen. Die sind es gewohnt, dass alles für sie getan wird. Und für sie ist auch außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass jemand nicht freiwillig mit ihnen schläft. Dazu kommt, dass oftmals Drogen und Alkohol eine Rolle spielten. Alleine dadurch hat man Grenzen, die vielleicht überschritten wurden, gar nicht erst gesehen.

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Welche Beispiele fallen dir da ein?

Die Jungs von Led Zeppelin haben in den 70ern tagelang durchgefeiert. Van-Halen-Frontmann David Lee Roth hat erzählt, wie er sich bei Konzerten Frauen aussuchte. Billy Idol hat ein Hotel in Thailand drei Wochen lang gemietet, um seinen Geburtstag zu feiern und es richtig krachen lassen, man spricht von ungefähr 700.000 Dollar. Ich hatte sogar Vorgesetzte, die mir beim Abendessen erzählten, wie sie sich von Frauen einen blasen ließen.

Gab es eigentlich auch irgendwelche treuen Ehemänner?

Müsste ich jetzt lange überlegen, ob mir da jemand einfällt … Ich glaube nicht. Und die, die nach außen so getan haben, waren eigentlich die Schlimmsten.

Und die Ehefrauen?

Ich war mit der Ex-Frau von Bobby Womack ganz gut befreundet. Als ich sie nach der Trennung gefragt habe, erklärte sie: „Weißt du, Guido, als Bobby eines Abends wieder mal auf Drogen war, hat er sich im Badezimmer eingeschlossen. Dann hat er einfach geschossen durch die geschlossene Tür – und da habe ich gedacht, dass es jetzt vielleicht an der Zeit ist, zu gehen.“

Welche Story wirst du wohl nie vergessen?

Ich war einmal bei Ice T zu Hause, als wir das Video zu dem Song „Beat of Life“ mit Sandra Nasic (Anm. d. Red.: Sängerin der Guano Apes) und DJ Tomekk drehen wollten. Das war wirklich ein Typ … Der hatte einen echten Hai bei sich im Swimmingpool. Ich weiß nicht, was der genommen hatte. Aber nüchtern war der auf jeden Fall nicht an dem Tag. Seine Freundin Coco Austin war damals Erotikmodel. Der hat er vor laufender Kamera einfach das T-Shirt hochgezogen. Sie fand das lustig. „In Deutschland darf man im TV doch Brüste zeigen“, hat er nur gesagt. Sandra Nasic stand daneben, die wusste gar nicht, was sie sagen sollte.

War Hiphop da krasser als andere Musikrichtungen?

Was die Sexgeschichten angeht, ist Heavy Metal oder Schlager kein Stück besser als Hiphop. Leonard Cohen war berühmt für seine vielen Frauengeschichten. Wenn bekannt war, in welchem Hotel er gewohnt hat, standen die Frauen da schon Schlange vor der Tür.

Und niemand hat das als problematisch empfunden?

Das war Rock’n’Roll. Schlimm war es nur, wenn Frauen dabei waren, die minderjährig waren.

Was denkst du: Gab es solche Fälle auch in Deutschland?

Bestimmt, aber ich vermute, die gab es überall. In Deutschland gab es ja einen sehr prominenten Sänger, der vor ein paar Jahren gestorben ist und dem zeitweilig Mütter ihre minderjährigen Töchter zugeführt haben sollten, aber nun ja …

Gab es viele Frauen, die in der Musikindustrie gearbeitet haben?

Viele als Sekretärinnen oder Assistentinnen. Wenige in leitenden Positionen. In Deutschland fast gar nicht, in Amerika schon häufiger. Bei dem Label Arista Records in New York gab es eine, die war richtig taff. Sie war teilweise gefürchtet, wir mochten uns sehr, haben mit Freunden sogar bei ihr Weihnachten in New York gefeiert.

Aber über sie gab es vermutlich keine Geschichten, wie es sie über mächtige Männer gab, oder?

Nicht, dass ich wüsste, nein. Die waren vielleicht diven-mäßig unterwegs. Aber junge Männer haben die sich nicht aufs Hotelzimmer bestellt.

Du hast auch mit Rapperin Eve und Lil‘ Kim zusammengearbeitet. Wie hast du Musikerinnen erlebt?

Die konnten auch feiern. Die haben wirklich gemacht, was die wollten. Foxy Brown kannte ich auch, die ist einfach nicht zum Videodreh erschienen, wenn sie keinen Bock hatte. Aber auch die haben sich keine Männer auf Partys bestellt.

Sind wir inzwischen woanders als in den 90ern?

Rammstein ist ja das beste Beispiel dafür, dass das heute immer noch Thema ist. Inzwischen ist das nicht mehr so normal wie in den 80ern. Aber das gab es immer und das wird es wohl auch immer geben.



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