Neues Album „Romance“ beeindruckt mit Wortgewalt, Energie und Pop


Warum es so oft regnet in den Liedern von Fontaines D.C.? Weil die Gefühle darin zweifellos aus schwerem Herzen herrühren. „Ich habe meinen Namen zu ‚Ich verspreche dir‘ geändert / und sterbe innerlich, weil ich es auch so will“, singt Grian Chatten im Song „Bug“ über Selbstaufgabe in der Liebe, und „der Regen spült mich wieder den Gully runter.“ „Träume – sie ersticken mich“, singt er in „Motorcycle Boy“. „Du regnest, ich schneie.“ „Romance“ heißt das vierte Album des Dubliner Quintetts, das am Freitag (23. August) erscheint. Das Herzgesicht auf dem Cover vergießt eine silberne Träne, den Regen der Reue. „Romance“ feiert das Weh und Ach des Liebesscheiterns.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Doch das Titelstück, mit dem das in London und Paris entstandene Album losgeht, lässt sich kaum als klassischer Lovesong bezeichnen, hat ein gläsernes Hämmern und Dampfstöße als Rhythmus. „Romance“, der Song, ist ein Industrial-Wetterchen, über dem Chatten barmt, es gehe nun „wieder zurück in die Dunkelheit“. Ein Mann als Beute seiner Gefühle. „Vielleicht“, so hofft er ins Geräuschgewitter hinein, „ist Romantik ein Ort … für uns beide“.

„Starburster“ handelt von einer Panikattacke in der Londoner U-Bahn

Um gleich danach in das beatlesk-psychedelische Intro des nachfolgenden „Starburster“ bildwilde, fiebrige Satzkaskaden zu bellen. Es geht hier um eine selbsterlebte Panikattacke in einer Londoner U-Bahn-Station, man hört das Saugen des Sängers am Inhalator. Die Liebe kann man nicht speichern, das weiß er. Dennoch will er „all deinen Zauber in einen Kanister füllen“. „I Am The Walrus“ meets Rap.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Mit dem ersten Song ihres ersten Albums hatten Chatten, die Gitarristen Carlos O’Connell und Conor Curley, Bassist Conor Deegan und Schlagzeuger Tom Cull vor fünf Jahren ihre wolkenverhangene Weltsicht zu ruppigem Sound vorgestellt. Wer auf eher schmucklose punkige Stimmen stand, in denen Leid, Trotz, Wut und Resignation zu spüren waren, auf Stimmen, die irgendwo zwischen Sprechen und Singen hängenblieben, denen kamen Fontaines D.C. mit ihrer am Hip-Hop orientierten Perkussivität gerade recht.

Die fünf Musikstudenten mit Liebe zu Lyrik veröffentlichten zunächst zwei Gedichtbände und betitelten ihr Debütalbum dann „Dogrel“ (Knittelvers): „Dublin im Regen ist die meine“, sang Chatten im Song „Big“ düstere Heimatkritik mit irischem Akzent, „eine schwangere Stadt mit einer katholischen Gesinnung“. Und dann kam die Selbstversicherung des Protagonisten, ein Versprechen: „Meine Kindheit war klein, aber ich komme groß raus.“

Der Bandname geht auf eine Figur aus dem „Paten“ zurück

Fontaines nannten sie sich nach Johnny Fontane, dem Sänger und Kindheitsfreund von Mobstersohn Sonny Corleone in Francis Ford Coppolas „Der Pate“ (1972), der Mann, für dessen Hollywoodkarriere der Kopf eines Rennpferdes im Bett des bis dato unkooperativen Filmmoguls Jack Woltz landete. Große Szene. Das D.C. für Dublin City wurde angehängt, als eine amerikanische Band den Namen für sich reklamierte.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Wie der Stern von Johnny Fontane (dank der Hilfe von Don Vito Corleone) aufstieg, spielten sich Fontaines D.C. aus eigener Kraft mählich aus der Postpunkszene, ohne dabei ihr Klangbild auffällig zu kommerzialisieren. Ein paar Tropfen Pop drauf. Aber Schielen nach Hits? No, thanks. In Irland und Großbritannien platzierten sie sich 2022 mit dem dritten Longplayer „Skinty Fia“ („verdammter Hirsch“ – ein irischer Fluch) trotzdem auf dem Spitzenplatz der Charts. In Deutschland schaffte es das Album über die Lösung der Band von ihrer schwierigen Heimatstadt Dublin und das Leben als Iren in der Diaspora (Belfast und London) bis auf Platz fünf. Wir prognostizieren für Ende der nächsten Woche die erste deutsche Nummer eins für „Romance“.

In den elf neuen Songs vereint sich der ruppige Gitarrensound der Band, deren Wurzeln von Cure bis Korn reichen, mit dem Charme der stilistisch breiter gefächerten Songs von Chattens Solodebüt „Chaos for The Fly“, auf dem er im vorigen Sommer Akustikgitarren, Trompeten und Streicher in seine Songs wob. Als „Geburtsstunde eines talentierten Songschreibers und Pop-Eklektikers“ bezeichnete der deutsche „Rolling Stone“ Chattens erstes Solowerk damals. Von einer „sensationellen Platte“ sprach die Popkultur-Website „Sounds & Books“, „auf der jedes einzelne Lied die Betrachtung lohnt“.

Es ist so ähnlich wie ein Ausstrecken der Beine. Ich finde es nicht schwierig; es geschieht einfach.

Grian Chatten,

Fontaines-D.C.-Sänger, im Magazin „Vogue“ über sein Songwriting

„Romance“, das erste Fontaines-Album unter den Fittichen von Produzent James Ford (Arctic Monkeys, Depeche Mode) ist von diesem Schlag und Niveau. Allzu harte Songknüppel mit wirbelnden Gitarren wie „Hurricane Laughter“ vom Debüt finden sich nicht mehr darauf. Dafür Balladeskes wie „Desire“ oder Melancholisches wie „In The Modern World“, Chattens Lieblingssong von den Neuen.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Ein Lied hatte er damit erschaffen wollen, das von Lana Del Rey gesungen werden könnte. Auch das feenhafte Stimmschwirren des akustischen „Motorcycle Boy“, die sphärischen Chorgesänge des kathedralischen „Sundowner“ lassen einen staunen. Fontaines D.C. wirken dabei nicht etwa poppoliert sondern experimentierfreudig und kraftvoll. Noch der zarteste Moment hier hat ein Vibrieren, das den Song vor „Kuschelrock“-Missbrauch an Rotweinabenden schützt.

Auftritt bei Jimmy Fallon, Interview in der „Vogue“

Und jetzt kommen die Fontaines tatsächlich groß raus. Sie sind in Jimmy Fallons „Tonight Show“ aufgetreten. Und werden von der „Vogue“ interviewt, wo Chatten über die Lässigkeit des Liederschreibens spricht: „Es ist so ähnlich wie ein Ausstrecken der Beine. Ich finde es nicht schwierig; es geschieht einfach.“

Das Stream-Team

Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. direkt in Ihr Postfach – jeden Monat neu.

Unter anderem ist „Favourite“ geschehen, das wohl sonnigste Fontaines-Beineausstrecken bisher, mit dem das Album schließt. Es beginnt als rasante folkige Achterbahnfahrt, hat dann Satzgesänge, als wär’s den Beach Boys aus dem Füllhorn geplumpst, um zuletzt wieder zum fröhlichen Rock-’n’-Roll-Karussell zu werden.

Aber das ist nur vordergründig. „Ich bin in Form gelutscht worden wie ein Stein am Strand. / Aber gäbe es einen Blitz in mir, / dann wüsstest du, für wen“, singt Chatten. Wie alles Romantische auf „Romance“ ist auch dieser Text durchwirkt von Zweifel, Zerfall und Endzeit, womit er sich nicht als Mitsing-Ding für Verliebte empfiehlt. Zwar scheint in diesem Lied die Sonne, aber der Blick auf die Liebe ist auch hier der in einen Rückspiegel. „Du warst meine Favoritin … für lange Zeit.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Fontaines D.C. – „Romance“ (XL Recordings) – erscheint am 23. August.



Source link

Beitrag teilen: