Bühnenabschied im Stadion rührt Fans zu Tränen


Leipzig. Am Ende fließen dann doch Tränchen. Beim Verlassen des Stadions muss man sich zumindest nicht lange umschauen, um ein paar Fans mit sichtlich gerührten, leicht erröteten Gesichter zu entdecken. Das Taschentuch in der Hand, noch nicht in der Lage, sich zu erheben. Im Moment verweilend, dieses Finale noch immer verarbeitend. Verständlich. Schließlich haben 38.000 Menschen hier in Leipzig soeben einen historischen Moment in der deutschen Musikgeschichte erlebt: das letzte Konzert von Peter Maffay.

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Oder zumindest: das mutmaßlich letzte Konzert. Denn auch wenn der 74-Jährige im Vorfeld ankündigte, mit seiner „We Love Rock ’n’ Roll – Farewell“-Tour nicht den Abschied von der Musik, aber doch den „von der großen Tourneebühne“ zu feiern: Der Rückzug vom Rückzug ist in dieser Branche wahrlich nichts Ungewöhnliches. Zumal Maffay mit dem Refrain des letzten Songs des Abends, „Mein Wort“, gewisse Hoffnungen weckt: „Auch wenn der letztе Vorhang fällt / Ich geh noch nicht fort / Ich geb euch mein Wort.“ Die Zukunft wird zeigen, wie viel man auf dieses Wort geben kann.

Peter Maffay cruist auf einer Harley Davidson durchs Stadion

Was auch immer da kommen mag: Es bleibt die Erinnerung an einen mehr als würdigen Abschluss. Fast drei Stunden lang nimmt Maffay das ausverkaufte Stadion mit auf eine Reise durch seine 55-jährige Musikkarriere. Von seinem ersten Hit „Du“ von 1969 bis zum jüngst erschienenen „Mein Wort“. Von den frühen Schlagerjahren bis zu den späteren (und dominierenden) als Rocker.

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Als solcher will Maffay wahrgenommen werden – und wie lässt sich dieses Image besser zementieren als mit dem größten aller Rocker-Klischees? Auf einer Harley Davidson dreht der 74-Jährige deshalb zu Beginn eine kleine Runde durch die Menge – die zuvor dafür eingerichtete Schneise ließ schon erahnen, was da kommen würde. Von dort geht es über eine Rampe an der Seite der Bühne auf selbige hinauf, gefolgt von der Körperkunst-Hymne „Schatten in die Haut tätowiert“, die mit viel Verve und E-Gitarren-Power ordentlich Adrenalin in die Venen pumpt. Ein Auftakt nach Maß.

Johannes Oerding und Anastacia als Gaststars

Von einer temporeichen Show kann dann allerdings nicht die Rede sein. Maffay nimmt sich angemessen Zeit für seinen großen Abschied, bringt gerade einmal zwei Dutzend Songs in 170 Minuten unter. Was zum Ersten daran liegt, dass manche Nummern, etwa der Friedens- und Abrüstungsappell „Eiszeit“, von ihm und seiner hervorragenden Band auf locker zehn Minuten gestreckt werden. Zum Zweiten an den etlichen Ansprachen, in denen Maffay über Vergangenheit und Gegenwart referiert, Komplimente mit seinen Gästen austauscht und sich darüber freut, drei Generationen im Publikum zu erblicken. Und zum Dritten am Publikum selbst, das gleich doppelt in ausladenden „Oh wie ist das schön“-Stadiongesang verfällt.

Den druck- und kraftvollen Sound schmälert bis zuletzt leider die Tatsache, dass ausgerechnet Maffays Stimme etwas übersteuert und kratzig aus den Boxen schallt – was umso mehr auffällt, da dass es den zwei Gaststars des Abends nicht so ergeht. Namentlich Johannes Oerding und Anastacia. Gerade Letztere braucht zwar ein wenig, um auf der Bühne wirklich anzukommen, nach „I’m Outta Love“ und spätestens dem AC/DC-Cover „You Shook Me All Night Long“ (im Duett mit Background-Sängerin Linda Teodosiu) ist das aber gelungen. Doch ach, gerade ist die Stimmung am Siedepunkt, da verlässt die 55-Jährige die Show schon wieder.

Ein Star ringt um Fassung

Ihrem Auftritt ist es auch geschuldet, dass „So bist du“ nur in der englischen Duett-Neufassung mit ihr erklingt, die beileibe nicht die gleiche Magie wie das Original ausstrahlt. Maffays Sohn Yaris, eigentlich als Background-Sänger dabei, bekommt auch mal die Bühne für sich, darf mit „Abenteuer“ Werbung für seine bevorstehende erste Tour machen. Dabei lässt er aber zwei entscheidende Faktoren vermissen, die seinen Vater ausmachen: Charisma und eine unverwechselbare Stimme. Zwei Ärgerlichkeiten in einer ansonsten gelungenen Setlist, die mit „Sonne in der Nacht“, „Über sieben Brücken musst du gehn“, „Ich wollte nie erwachsen sein“ und „Und es war Sommer“ einen gebührenden Querschnitt von Maffays Karriere abbildet.

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Mit einem knappen „Das war’s“ lässt Maffay den letzten Song ausklingen. Er ringt unter minutenlangem Applaus sichtlich um Fassung, klammert sich nochmals ans Mikrofon, schnappt sich einen herzförmigen Luftballon, der auf der Bühne landet, verbeugt und bedankt sich und braust auf seinem röhrenden Motorrad davon. Wenn er an diesem Abend von der Bühne geht, dann geht nur ein Teil von ihm. Der andere bleibt in Leipzig.



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