Wie sich deutsche Superfans auf die Konzerte vorbereiten


Hannover. Kimys größte Sorge ist das Outfit. Ein Jahr lang hatte sie Zeit, sich auf den großen Abend vorzubereiten – und jetzt wisse sie immer noch nicht genau, was sie anziehen soll. Eine ganze Reihe an Kleidern hänge jetzt in ihrem Schlafzimmer, sagt die 20‑Jährige dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Telefon. Darunter rosa Outfits, die gut zu Taylor Swifts Album „Lover“ passen würden. Aber auch dunklere, die an die Alben „Reputation“ oder „Midnights“ erinnerten.

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Worauf es genau hinausläuft, wird sich in den kommenden Tagen entscheiden. „Ich habe versucht, möglichst keine Klamotten zu kaufen, die ich nur einen Abend anziehe und dann nie wieder“, sagt Kimy. Vielmehr setze sie auf Vintagekleidung, auf Nachhaltigkeit. Aber ob das Outfit dann am Ende so aussieht, wie sie sich das ausgemalt hat? Für die Antwort bleibt nicht mehr viel Zeit: Schon ab Mittwoch spielt Superstar Taylor Swift das erste Deutschlandkonzert ihrer „Eras“-Tour in Gelsenkirchen. Und Kimy ist dabei.

Warum die 20‑Jährige aus Greifswald überhaupt ihre Outfits nach Farbe sortiert, hat mit der Fanszene der US‑Sängerin zu tun. Auf ihrer Tour präsentiert Taylor Swift Stücke aus verschiedenen Epochen ihrer Karriere – und ihre Superfans, die sogenannten Swifties, haben angefangen, ihre Outfits an die jeweiligen Alben und Songs der Sängerin anzupassen. Beispiel: Zum Album „Red“ passt die Farbe rot, zu „Midnights“ passen Mond- und Sternenmotive, und für „Speak Now“ Outfits in der Farbe lila. Da will natürlich auch Kimy nicht mit einem klassischen Outfit an der Arena in Gelsenkirchen erscheinen.

Armbänder als Eisbrecher

Doch es gibt noch ein anderes Accessoire, das an diesen Abenden von Bedeutung sein wird. „Auf dem Album ‚Midnights‘ gibt es einen Song namens ‚You’re on Your Own, Kid‘“, erklärt Hava (29) aus Hannover, die sich ebenfalls zu den Swifties zählt. „In der Bridge des Songs singt sie ‚So make the friendship bracelets‘“, also: „Bastelt Freundschaftsbänder“. Das wiederum haben Fans als Aufforderung verstanden – seither basteln und tauschen sie auf Konzerten selbstgeflochtene Armbänder mit den unterschiedlichsten Botschaften. Auch Hava macht mit.

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Ähnlich wie bei den Outfits orientieren sich auch die Armbänder an Songs oder Alben der Sängerin, erklärt die 29‑Jährige. Sie selbst habe etwa Armbänder in Grün geflochten – „da wissen Taylor-Fans, dass es sich auf ihr Debütalbum bezieht“. Hinzu kommen Buchstaben, die eine Textzeile bilden oder auf einen bestimmten Song referieren.

Auf den Swift-Konzerten dienen die Bändchen nicht selten als Eisbrecher. „Ich war allein auf der Eras-Tour in Amsterdam“, erzählt Hava. „Es hat gerade mal zwei Minuten gedauert, da habe ich ein anderes Mädchen kennengelernt, das ebenfalls allein da war. Dann haben wir Freundschaftsbändchen getauscht und haben zusammen mit weiteren Fans gemeinsam den Abend verbracht.“ Die Swifties seien eine überaus offene Community. Wer alleine zum Konzert gehe, der gehe selten allein wieder aus der Halle heraus.

Zwei Taylor-Swift-Fans fotografieren sich vor einem Wandgemälde der Sängerin in London.

Zwei Taylor-Swift-Fans fotografieren sich vor einem Wandgemälde der Sängerin in London.

Wie Taylor Swift das Fandom revolutionierte

Wer Hava und Kimy zuhört, der merkt schnell: Ein Taylor-Swift-Konzert ist kein Konzert wie jedes andere – aber auch hinter dem Fandom um die Sängerin steckt mehr, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Das Wort Swifties kam in den späten 2000er-Jahren erstmals auf, als der Popstar von einem Country-Girl zum weltweiten Megastar wurde. 2012 erwähnte Swift das Wort selbst in einem Interview. Dass sich ihre Fans so nennen, finde sie „bezaubernd“, so die Musikerin.

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Seither ist die Bindung zwischen Swift und ihren Fans so eng wie bei kaum einem anderen Popstar. Die „New York Times“ schrieb einmal, Swift habe die Beziehung zwischen Star und Fan „revolutioniert“, laut „The Atlantic“ beherrsche die Sängerin die „Macht des Gruppenerlebnisses“, das bei den „Swifties“ eine große Rolle spiele. Die Art und Weise, wie Swift über Social Media mit ihren Fans interagiere, sei einzigartig – ebenso die Tatsache, dass die 34‑Jährige ihren Fans immer wieder kleine Geschenke mache oder in ihren Werken Easter Eggs verstecke. Nicht zuletzt das große Fandom machte Swift schließlich zu einer musikalischen Ikone – und zu einer der wohlhabendsten Künstlerinnen der Welt.

Auch vor den Deutschland-Konzerten der Sängerin läuft die Swift-Mania wieder auf Hochtouren. Auf Plattformen wie Instagram und Tiktok vernetzen und organisieren sich die Fans. Eine aktuelle Diskussion in den Kurzvideos und Kommentarspalten ist etwa, welches Wort im Stadion gerufen werden soll, damit Taylor auf ihre Fans aufmerksam wird.

Swifties: Mehr als nur kreischende Fans

Der Hype um die Sängerin drängt Fans allerdings immer wieder dazu, sich erklären zu müssen. „Wir Swifties werden häufig missverstanden“, bedauert Hava – genau wie die Sängerin selbst. „Viele denken, Taylor Swift singt nur Songs über die Liebe oder Ex‑Freunde – und dieses Bild wird dann auch auf uns übertragen.“

Als Superfan werde man häufig als oberflächlich belächelt, sagt die 29‑Jährige. „Nach dem Motto: Die naiven Jungs und Mädels, die keinen Musikgeschmack haben.“ Aber: „Man vergisst, dass diese Frau elf Alben herausgebracht hat, mit unterschiedlichsten Musikrichtungen. Und auch lyrisch ist Taylor Swift so wahnsinnig gut. Das bekommt man natürlich nicht mit, wenn man nur ‚Shake It Off‘ kennt“, sagt Hava.

Genau diese Musik samt ihrer Texte bedeutet den Fans enorm viel. „Für jede Stimmung, in der ich gerade bin, gibt es das passende Album oder den passenden Song“, sagt Kimy aus Greifswald. Hava nennt als Beispiel die Alben „Folklore“ und „Evermore“, die Swift während der Corona-Pandemie herausgebracht hatte. Als „lyrische Meisterwerke“ beschreibt die Hannoveranerin die Stücke.

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Friedliche Superfans

Und auch die Fanszene bestehe keineswegs nur aus oberflächlichen Teenagern, die bei Konzerten kreischen. Vielmehr verstehen sich die „Swifties“ als Gemeinschaft, die einen überaus toleranten Umgang miteinander pflegt. Die Offenheit, bei Konzerten schnell Freundschaften zu schließen, ist da nur ein Beispiel von vielen. Streit innerhalb der Fanszene gebe es kaum bis gar nicht, jeder sei willkommen, sagt Hava. Sie freue sich selbst über Fans, die erst durch den großen Hype auf die Sängerin aufmerksam wurden.

Und auch sonst gelten die Swifties als überaus friedlich. Fanszenen in der K‑Pop-Szene beispielsweise sind dafür bekannt, regelrechte Internetkämpfe für ihre Stars auszufechten – und nicht selten attackieren sie auch die Fans anderer Bands oder gar Mitglieder des eigenen Fandoms. So etwas würde es bei den Swifties nicht geben, sagt Hava: „Taylor-Swift-Fans würden niemals Harry-Styles-Fans angehen oder andersrum.“ Viele seien sogar Fans von beiden Künstlern.

Gerade auch deshalb findet Hava es schade, dass Swifties häufig belächelt oder mit Spott überzogen würden: „Nehmen wir als Vergleich etwa Fußballfans“, sagt die 29‑Jährige. Bei Spielen sei häufig Alkohol im Spiel, es herrschten Rivalitäten oder gar Hass unter Vereinen und ihren Fans, die Stimmung sei nicht selten aufgeheizt. „Das wird von der Gesellschaft toleriert. Aber wir Swifties, die herzlich und offen miteinander umgehen, die niemandem wehtun und nur das Leben und die Musik genießen, wir werden belächelt.“

Popstar Taylor Swift auf der „Eras“-Tour in Amsterdam.

Popstar Taylor Swift auf der „Eras“-Tour in Amsterdam.

Ein Popstar mit wenig Haltung

Aber wofür stehen die Swifties – neben ihrer Freundlichkeit – genau? Mit einer eindeutigen Charakterisierung ist es schwierig – womit sich die Fanszene wiederum in Perfektion ihrem Idol angleicht. Swift selbst äußert sich nur selten politisch oder mischt sich in gesellschaftliche Debatten ein. Und tut sie es doch, hat es gleich enorme Auswirkungen – etwa als sie ihre Stimme gegen den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump erhob. „Taylor Swift hält sich mit ihrer Haltung meist zurück“, sagt auch Kimy. Für sie spiele das aber keine große Rolle – für sie als Fan stehe vor allem die Musik im Vordergrund.

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„Es gibt viele Leute, die Taylor Swift als Feministin sehen“, sagt Hava. Eine Meinung, die die 29‑Jährige nicht zwangsläufig teilt. Es sei „ein bisschen überspitzt“, Swift als Role-Model des Feminismus darzustellen. „Denn dafür tut sie einfach nicht viel.“

Zu kritischen Themen äußere sich Swift kaum bis gar nicht. Allerdings glaubt Hava auch, dass Swift dafür kaum Zeit hat: „Man darf nicht vergessen, dass sie super viel arbeitet und anderes im Kopf hat – erst recht, wenn sie auf Tour ist.“

Eine riesige Marketingmaschinerie

Es gibt aber noch andere Kritikpunkte, die auch aus der Fanszene immer wieder zu hören sind – etwa das tüchtige Geschäftstreiben Swifts. Das Merchandise der Sängerin sei häufig „maßlos überteuert“, sagt etwa Kimy, die Swift seit ihrer Kindheit verfolgt – damals bekam sie das Album „1989“ geschenkt. „Heute kommt gefühlt wöchentlich eine neue CD mit ein oder zwei Bonus-Songs heraus“, sagt Kimy. Das Ziel, so eine häufig formulierte Kritik: Swift animiert ihre Fans erneut zum Kaufen, um ihre guten Chartpositionen zu halten.

Kimy findet das „übertrieben“, wie sie sagt. „Taylor Swift hat so viel Geld, das hat sie eigentlich nicht nötig.“ Selbst als Superfan genieße sie die Musik der 34‑Jährigen lieber auf Spotify – in den Sammelhype sei sie nie eingestiegen.

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Auch Hava ist die Marketingmaschinerie hinter dem Popstar durchaus bewusst: „Klar macht sie das vor allem, um im Gespräch zu bleiben“, sagt sie. Vieles befürworte sie nicht – etwa, dass Swift immer wieder neue Versionen eines Songs herausbringt, um weiter oben in den Charts zu bleiben.

Jetzt muss noch die Bahn mitspielen

Diese kleinen Kontroversen überschatten die Liebe zum Idol aber kaum. Beide Fans freuen sich enorm auf die anstehenden Konzerte: Swift spielt ab Mittwoch, 17. Juni, zunächst drei Abende in Gelsenkirchen, ab dem 23. Juli zwei Konzerte in Hamburg und ab dem 27. Juli zwei in München.

Auch Hava will in einem ganz besonderen Outfit an der Arena in Gelsenkirchen erscheinen. Die Idee dazu hat sie auf Tiktok gesehen – es handelt sich um ein Kleid, dass einem Swiftie-Freundschaftsarmband nachempfunden ist.

Eine andere Sorge treibt Superfan Kimy noch um: die mangelnde Zuverlässigkeit der Deutschen Bahn. „Wir reisen extra einen Tag vorher an, damit auch garantiert nichts schiefgeht“, sagt die 20‑Jährige. Für Kimy ist es ihr erstes Taylor-Swift-Konzert überhaupt, für das Ticket hat sie 120 Euro bezahlt. Und dieses einmalige Erlebnis, das wolle sie auf keinen Fall verpassen.



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